Wenn Freundschaft leise endet – warum wir lernen müssen, loszulassen (und trotzdem wieder zu vertrauen)

Wenn Freundschaft leise endet – warum wir lernen müssen, loszulassen (und trotzdem wieder zu vertrauen)


Wenn Freundschaft leise endet 

 

Ich sitze am Strand von Heiligenhafen. Die Sonne scheint – entgegen jeder Wettervorhersage. Und da ist sie: eine Gruppe aus Frauen, die ihren Sonntagnachmittag zusammen am Strand verbringt – und ich frage mich: 


Wie macht ihr das? 

Seid ihr wirklich alle (es waren sechs) miteinander befreundet? 

Wo habt ihr euch kennengelernt? 

Ist das echte Freundschaft oder ein Zweckbündnis wegen der Kinder (jede hatte zwei)? 


Studien zeigen: Freundschaften sind für unser Glück und unsere Gesundheit mindestens so wichtig wie romantische Beziehungen. Und doch sprechen wir kaum über ihr Ende. Über das leise Auseinanderdriften, das bleibt.

 

Ich bin Nina, Autorin und Gründerin von The Nina Edition. Ich schreibe über das, was uns im Alltag wirklich bewegt – über Beziehungen, über Nähe, über Leichtigkeit, über das Leben in seiner Echtheit. Dieser Text ist mein Versuch, das Ende einer Freundschaft zu verstehen – und darüber zu sprechen, warum es sich lohnt, für echte Verbindungen zu kämpfen.

 

In diesem Artikel liest du,

        ✅ warum es so schwierig ist, mit leise endenden Freundschaften umzugehen,

        ✅ wie du mit diesem Verlust umgehen und Selbstzweifel loslassen kannst,

        ✅ und warum es sich lohnt, an Freundschaften zu arbeiten – auch (und gerade) mit über 40.


Und am Ende findest du eine kleine Sammlung mit Orten, Communities und Ideen, wo neue Freundschaften entstehen können. Denn vielleicht ist das nicht das Ende – sondern der Anfang von etwas Neuem.

 

Warum ist es so schwierig, mit leise endenden Freundschaften umzugehen? 


Freundschaft ist ein Thema, das mich seit jeher beschäftigt: in der Grundschule der Streber, im Gymnasium erst die Außenseiterin wegen der noch kindlichen Art, dann ausgegrenzt, weil ich kein Russisch konnte. Später habe ich festgestellt, dass meine „beste Freundin“ aus der Schulzeit mir jahrelang etwas vorgemacht und unsere Freundschaft gar nicht als „beste“ gesehen hat. Schließlich habe ich Freundinnen gehen lassen – oder selbst „geghostet“, weil es einfach nicht mehr gepasst und eine Auseinandersetzung nichts gebracht hätte. Und jetzt lasse ich wieder eine Freundin gehen.


Es gibt Trennungen, die kommen laut. Mit Knall, Drama, langen Nachrichten, Tränen und einer Schublade voller Vorwürfe. Und dann gibt es die anderen. Die Leisen. Die, die nicht mal als Trennung durchgehen würden – zumindest nicht offiziell. Keine Szene, keine Tür, die ins Schloss fällt. 


Nur eine Einladung, die nicht kommt. 


Sie ist der Höhepunkt einer langen Serie des Schweigens: das Ausbleiben der wöchentlichen Anrufe, das Abwimmeln am Telefon, das Fehlen der Nachricht „Wie geht’s dir?“, der Kommentare unter Posts, selbst der schnellen Likes oder Story-Reaktionen. Und die ganze Zeit fragt man sich: Warum?

 

Ich bin traurig. Wirklich. So richtig. Obwohl ich es habe kommen sehen. Kein Streit, keine Schuld. Nur dieses leise Gefühl, dass ich offenbar den Status gewechselt hatte – vom „Teil des engen Kreises“ zur „War doch früher mal …“.  Natürlich habe ich es angesprochen, in der Hoffnung auf Klarheit. Mehrmals. Immer war die Antwort:


 „Ach Quatsch.“ 


Bis sie irgendwann kam, die Story über die Geburtstagsparty zu der ich nicht eingeladen war und die Antwort auf meine Nachricht, die alles sagt und nichts erklärt: 


„Ich fühle es gerade nicht so. Vielleicht haben wir uns auseinandergelebt. Vielleicht braucht es einfach Zeit.“

 

Vielleicht. Das Wort, das in seiner Höflichkeit eine ganze Beziehung beerdigen kann, ohne dass jemand einen Sarg trägt. Ich frage mich, was ich passiert, dass Du aufgehört hast, unsere Freundschaft zu spüren. Verdient unsere Freundschaft nicht mehr als diesen stillen Abschied? Es müssten um die zehn Jahre sein, die wir Seite an Seite durch's Leben gingen, uns unterstützten, große Erlebnisse zusammen genauso feierten wie normale Samstagabende. Wirft man das einfach weg, ohne ein klärendes Gespräch? Was kann so schlimm gewesen sein, dass Du dieses nicht gesucht hast?


Ich bleibe ohne Antworten zurück.


„Ich glaube, Zuhause sind auch die Menschen, die dich seit Jahren kennen, denen du nichts vormachen kannst, weil sie dich längst durchschaut haben. Die, denen du nachts um drei Uhr nur ein Wort schicken musst und die sofort wissen, was los ist und welche Notfallstufe wir haben.“ (Marie Luise Ritter, Die Suche nach Zuhause, S. 155)

 

Und ich dachte, wir wären diese Menschen.
Bis du es nicht mehr fühltest. 




 Wie kannst du mit diesem Verlust umgehen - und Selbstzweifel loslassen?


Das Schwierige an diesen leisen Enden ist: Es gibt keine Schuldzuweisung, an der du dich festhalten kannst, nichts an dem du arbeiten kannst. Kein Drama, kein Abschluss. Nur ein schmerzhaftes Schweigen – und die Erkenntnis, dass du offenbar in einem Kapitel gestrichen wurde, ohne selbst das Buch zugeklappt zu haben.


Und obwohl ich sonst ganz gut darin bin, Dinge zu akzeptieren, fällt mir das hier schwer. Vielleicht, weil ich dachte, wir wären anders. Vielleicht, weil ich geglaubt habe, dass Nähe sich nicht einfach so verflüchtigt. Oder weil ich nicht gemerkt habe, wie ich aussortiert wurde - Minimalismus at its best.

 

Ich wäre nicht ich, wenn ich nicht irgendwann angefangen hätte, bei mir zu suchen. 


War ich zu langweilig? 

Mein Leben zu spießig? 

Habe ich etwas verpasst, nicht gesehen, übersehen? 


Diese Gedanken sind fast automatisch, wenn etwas endet. Du kennst sie bestimmt. Wir drehen jedes Detail um, suchen nach Hinweisen, nach einem Grund, der uns entlastet oder bestätigt, etwas an dem wir uns festhalten, an dem wir uns arbeiten können. Doch manchmal – und das ist das Bitter-Schöne daran – gibt es keinen großen Grund. Nur ein sanftes Auseinanderdriften. 


Leben, die sich neu sortieren. 

Kreise, die sich schließen.

 

Ich habe irgendwann verstanden, dass nicht jedes Ende ein Versagen ist. Manchmal ist es einfach der Lauf der Dinge. Menschen verändern sich, und manchmal laufen sie plötzlich in eine andere Richtung – nicht gegen dich, sondern für sich.

 

„Das Leben ist ein Marathon, und jeder befindet sich an einer anderen Stelle. Wir sollten diejenigen finden, die auf gleicher Höhe mit uns Hand in Hand laufen.“
(Marie Luise Ritter, Von der Kunst, das Leben leicht zu nehmen, S. 172)  

 

Dieses Bild erinnert mich daran, milder zu sein – mit anderen, aber vor allem mit mir selbst. Das heißt nicht, dass es weniger weh tut, dass ich nicht mehr traurig bin, dass nicht mehr wütend bin. 


Was hilft, ist, den Blick zu wenden: weg von dem, was nicht mehr ist, hin zu dem, was bleibt. Menschen, die zuhören.

 

Selbstzweifel loszulassen bedeutet nicht, gleichgültig zu werden – sondern anzuerkennen, dass man genug war, so wie man war. Dass man nichts falsch gemacht hat, nur weil jemand anders gegangen ist.


Vielleicht ist das das leise Geschenk solcher Abschiede: Sie lehren uns, dass Nähe nicht selbstverständlich ist – und wie wertvoll die Menschen sind, die bleiben.


 

Wie kannst du Freundschaften pflegen – und warum lohnt sich das?


Freundschaft ist kein „Nice-to-have“. Studien, unter anderem von Harvard, zeigen: Gute Beziehungen – und dazu gehören tiefe Freundschaften – sind der wichtigste Faktor für ein glückliches, gesundes Leben. Oft sogar wichtiger als eine romantische Partnerschaft.

   

Vielleicht ist das die eigentliche Krise unserer Zeit: Wir optimieren nicht nur uns selbst, sondern auch unsere Beziehungen. 


Wir fragen: Bringt mir das noch etwas? 

statt: 

Was kann ich tun, damit wir weitergehen?

 

Wir sortieren Freunde aus wie alte Kleidung, weil sie nicht mehr zu uns passen, oder "uns nicht mehr gut tun". Doch Freundschaft ist kein Kleidungsstück. Sie lebt von Vertrauen, Geduld, Verbindlichkeit – und davon, dass man bleibt, auch wenn es nicht immer leicht ist. 


Freundschaft ist Arbeit und FreundInnen verdienen ehrliche Worte und die Arbeit an dieser Beziehung - mit Ritualen. Mit Offenheit. Mit Verständnis für den anderen und seine Situation. Mit der Frage: Was brauchst du gerade von mir? oder mit klaren Worten. 


Was Freundschaften nicht verdienen, sind es aussortiert zu werden, wenn jemand "besseres" daher kommt. Gemeinsame Erinnerungen sollten als unbezahlbarer Wert nicht gedankenlos herabgewürdigt werden, indem Personen ersetzt werden. Du solltest sie als Wert erkennen. Als etwas das nicht Alltäglich ist. Etwas das Zeit und besondere Personen zum Aufbau braucht.


Bewusste Verbindlichkeit ist selten geworden, aber sie verändert alles. Denn Nähe entsteht nicht durch Quantität, sondern durch Qualität. Durch die kleinen Gesten, die zeigen: Ich denke an dich. Manchmal reicht schon eine Sprachnachricht im Alltag, ein spontaner Spaziergang nach Feierabend oder ein gemeinsames Ritual – etwa ein fester Freundinnenabend, den man genauso ernst nimmt wie einen Termin im Kalender. 

 

Freundschaft zu pflegen bedeutet auch, schwierige Themen anzusprechen und andersherum Kritik fähig zu sein, ohne sich zurückzuziehen. Ehrliche Gespräche schaffen Vertrauen, weil sie zeigen: Du bist mir dennoch wichtig. Freundschaft zu pflegen bedeutet auch sich nicht selbst über den anderen zu stellen. Ihn auszusortieren aus Egoismus. 

 

Besonders langjährige Freundschaften verändern sich mit der Zeit. Menschen entwickeln sich weiter, Lebensumstände verschieben sich, Prioritäten auch. Aber das ist kein Grund, sie wegzuwerfen. 


Im Gegenteil: Oft lohnt es sich, genauer hinzusehen, ehrlich miteinander zu sprechen und das Band neu zu knüpfen – vielleicht auf eine andere, aber nicht weniger wertvolle Weise.

 

Freundschaften zu pflegen bedeutet, sie zu priorisieren. Nicht, weil sie laut einfordern, sondern weil sie leise fehlen, wenn wir sie vernachlässigen.  


 „Freundschaft ist mehr als gemeinsame Erinnerungen oder geteilte Erlebnisse. Sie ist dieses unausgesprochene Verstehen … Dass sie uns zeigt, wer wir wirklich sind – und wer wir sein können.“ (Marie Luise Ritter, Die Suche nach Zuhause, S. 154) 


Und vielleicht liegt genau hier die Magie: Dass echte Freundschaft nicht zwingt. Dass sie bleibt – auch dann, wenn sie sich verändert.



Wie findet man neue Freundinnen über 40?

 

Vielleicht ist das das Bitter-Schöne an Abschieden: Sie zwingen uns, uns zu fragen, was wir wirklich brauchen – und was wir wiederfinden wollen.

 

 „Neue Freundschaften zu schließen kostet Kraft. Es ist, als müsste man sich immer wieder neu präsentieren. Und manchmal will man nichts mehr, als sich einfach blind zu verstehen.“ 

(Marie Luise Ritter, Die Suche nach Zuhause, S. 104)

 

Denn ja, es ist schwer, mit über 40 neue Freundschaften zu schließen. Aber es ist nicht unmöglich. Es gibt keine WG-Küchen mehr, keine Mensa, weniger zufällige Begegnungen. 

 

Man findet Freundinnen beim Lachen in der Yogagruppe, im ehrlichen Gespräch bei einem Schreibworkshop, beim Kaffee mit jemandem, den man über GoFriendly, Bumble for Friends, Freundinnen finden, Walk & Talk, Nebenan.de oder das Berlin Social Meetup kennengelernt hat. Es gibt Communities wie Offline Girls oder The Markery, die zeigen: Nähe kann man suchen – und finden.

 

Share your thoughts :

Ich freue mich über jeden Kommentar. Wenn du auf meinem Blog kommentierst, werden die von dir eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. deine IP-Adresse) an Google-Server übermittelt. Mehr Infos dazu findest du in meiner Datenschutzerklärung http://www.theninaedition.de/p/legal-notice.html und in der Datenschutzerklärung von Google https://policies.google.com/privacy?hl=de


Credits

 

Domain über Kleidung.com